Dienstag, 30. Juli, 2024

Wie umgehen mit Krypto-Assets in der Finanzplanung?

Die Welt der Krypto-Assets kann von aussen exotisch bis befremdlich wirken: blutjunge Influencer posen vor bonbonfarbenen Sportwagen in den sozialen Medien und versprechen astronomische Renditen mit Kryptowährungen binnen Wochen, wenn man nur Ihren Tipps und Strategien folgt. Oder anders: Krypto-Wild West mit Bling-Bling in Nahost – seriös sieht anders aus.

In einer Mini-Serie stellen wir Krypto-Assets in den Kontext: Pro, Kontra und die Umsetzung in der Finanzberatung. Heute Teil 2: Die Rolle von Krypto-Assets in der Finanzplanung

Dabei bietet die neue Anlageklasse der Krypto-Token tatsächlich interessante Rendite-Chancen, werden doch verschiedene Innovationen aus der Kryptografie, der Informatik und der Geldtheorie spektakulär vereint. Zumal die Ideengeschichte weitaus älter ist: Bitcoin hatte lange vor der Erfindung der Blockchain prominente geistige Vordenker: schon F.A. Hayek sah das Währungsmonopol der Zentralbanken skeptisch und favorisierte bereits in den 1970er Jahren den Wettbewerb der freien, privaten Währungen – seine Thesen sind angesichts der aktuellen exzessiven Schöpfung von Giralgeld dies- und jenseits des Atlantiks wieder topaktuell.

Die Debatte über Krypto-Assets pendelt dabei oft zwischen den Extremen: das Pendel schwingt zwischen «Bitcoin ist die Lösung für alle Probleme» (Bitcoin-Maximalisten, immer) und «Alles Lug und Trug, plus heisse Luft» (konservative Finanzexperten, Ü60) hin und her und verwirrt ernsthafte Privatanleger und interessierte Laien, welche angesichts der Informationsflut doch eigentlich Halt und Orientierung suchen – so zumindest mein Eindruck aus der Beraterpraxis. Glücklicherweise bleiben genug Grautöne zwischen den Extremen, um sich ernsthaft und agnostisch mit der Blockchain-Technologie und Ihren Anwendungsfällen wie Krypto-Assets zu beschäftigen, was natürlich mit Zeit und Aufwand verbunden ist.


Die institutionelle Adoption schreitet voran – doch praktisch sind Krypto-Assets vor allem für Privatanleger
Das «grosse Geld» hat augenscheinlich kaum noch Zweifel, mittlerweile haben selbst US-Grossbanken den Wert von Bitcoin und Co. erkannt, die grossen Player der Branche, allen voran der weltgrösste Vermögensverwalter Blackrock emittierten selbst Spot-ETFs auf Bitcoin und mittlerweile auch Ethereum – ungeachtet allem regulatorischem Ärger und hängigen Prozessen (Securities and Exchange Commission!) zum Trotz. Die Mittelzuflüsse seit Anfang 2024 sind beachtlich, augenscheinlich sind Krypto-Assets in der Finanzindustrie angekommen.

Dabei waren die Absichten des bis heute anonymen Schöpfers bzw. Kollektivs («Satoshi Nakamoto») von Bitcoin gänzlich anderer Natur: ein alternatives elektronischen Zahlungssystem für jedermann war die Vision der Macher, hartes Geld (fixe Geldmenge) welches global, einfach und sicher von Nutzer zu Nutzer («peer to peer») verschoben werden kann. Eben ganz ohne zwischengeschaltete Banken oder andere Intermediäre – wer die Gebühren von Western Union oder MoneyGram kennt, versteht den Nutzen sofort, vor allem in Entwicklungsländern. Doch auch Private in der Schweiz kennen (zu) hohe Gebühren für Finanzdienstleistungen. Daher ist die Selbstverwahrung von Krypto-Assets nach wie vor attraktiv und möglich, wenn man bereit ist die nötigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen und sich das Wissen anzueignen. Hier kann ein versierter Finanzplaner echte und seriöse Hilfestellung in einem rasant wachsenden Markt bieten.


Es geht einfach, simpel und dezentral
Dezentrale Lösungen bei Krypto-Assets vermeiden das Gegenparteirisiko durch eine direkte Interaktion der Teilnehmer. So können Privatanleger untereinander agieren, mit einer weltweit niedrigen Eintrittsschwelle – man benötigt nur ein Smartphone, eine Wallet und eine Internetverbindung. Auch bei den Börsenplätzen hat man die Wahl: zentrale Anbieter wie Coinbase oder Kraken, bzw. dezentrale Börsenplätze wie UniSwap, wo Algorithmen die Funktion der Marketmarker übernehmen, es braucht zudem kein Orderbuch mehr. Darüber hinaus bietet die Welt der dezentralen Finanzen dank Blockchain echte Transparenz in Echtzeit: jeder kann überprüfen wie viele Gebühren ein Prokokoll generiert, wie hoch das investierte Kapital derzeit ist (TVL) und wie schnell die Nutzeradoption voranschreitet – welch ein Unterschied zu diversen nebulös strukturierten Produkten («Multi-Barrier Reverse Convertible mit Knock-Out») in der klassischen Finanzwelt, wo Transparenz, Nutzen und Verständlichkeit viele Fragen aufwerfen.

Ironischerweise bietet nun auch die Finanzindustrie, zum Beispiel 21Shares oder auch VanEck Krypto-Wertpapiere für Privatanleger an, ganz praktisch mit ISIN fürs heimische Depot. Das Risiko der Selbstverwahrung entfällt, jedoch möge der geneigte Anleger sorgfältig die Gebühren prüfen, selbst einfache ETPs schlagen gern mit einem stolzen TER von über 1.5% zu Buche.


Was heisst das nun für den Finanzplaner in der Praxis?
Die attraktiven Renditen – Bitcoin hat in US-Dollar eine nominale Rendite von ca. 813% in den letzten fünf Jahren erzielt – werden weitere Privatanleger in den hochvolatilen Krypto-Markt locken. Daher ist es essenziell, dass Finanzplaner, ganz im Sinne einer 360 Grad Betrachtung, neben den Chancen und Risiken auch über die Verwahrung und nicht zuletzt über den digitalen Nachlass sprechen – die schönsten Renditen nützen nichts, wenn die technisch nicht versierten Hinterbliebenen keinen Zugang zur Wallet besitzen. Aber auch auf der steuerlichen Seite suchen die Anleger Rat, die richtige und optimierte Versteuerung von Kapitalerträgen aus Staking, Lending und Liquidity Mining sollte in Zukunft zum Repertoire eines Finanzplaners gehören.

Gefragt sind somit die Ausbildungszentren für Finanzplaner, welche das Curriculum rechtzeitig erweitern sollten und schlussendlich auch der Regulator, der es leider versäumt hat im FIDLEG die Anlageberatung zu digitalen Assets zu regeln.


Die Rolle des Finanzplaners wandelt sich
Aufgeklärte Kunden können dank des Internets Konditionen und Renditen gut vergleichen. Ob der Finanzplaner der Zukunft tatsächlich noch stark standardisierte Produkte ineffizient vor Ort beim Kunden verkaufen wird, bleibt abzuwarten. Die Transformation weg vom Produktverkäufer, hin zum ganzheitlichen Finanz-Coach auf Augenhöhe ist in vollem Gange. Auch die künstliche Intelligenz wird uns das Denken nicht abnehmen, sondern eher Prozesse und die Administration verschlanken. Der Finanzcoach der Zukunft sollte das Einrichten von Wallets, die Einschätzung zu DeFi-Protokollen und den digitalen Nachlass im Arsenal haben. Denn wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.

Fünf Key-Takeaways:

  • Krypto-Assets sind, aus nüchterner finanzplanerischer Sicht, eine hochvolatile Anlageklasse mit einem kurzen Track-Record. Den hohen Risiken stehen attraktive Renditen gegenüber – wenn man sich auskennt.
  • Aufgrund der geringen Korrelation zu klassischen Anlageinstrumenten bieten Krypto-Assets bereits jetzt in den meisten Marktphasen gute Möglichkeiten zur Diversifikation von Anlageportfolios.
  • Eine reine Buy-and-hold-Strategie funktioniert eher schlecht in Krypto, mit der (wahrscheinlichen) Ausnahme von Bitcoin.
  • Gesunde Skepsis: Vorsicht vor unseriösen Marktteilnehmern, Betrug ist leider oft zu finden. Anleger ohne Markterfahrung sollten keine relevanten Summen im Krypto-Markt investieren.
  • Dezentrale Finanzprotokolle (DeFi) offerieren attraktive Renditen via Liquidity Mining bei relativ niedrigen Einstiegshürden. Jedoch ist Vorsicht angebracht und Erfahrung gefragt: valide Kenntnisse sind nötig, um Renditen regelmässig zu erzielen und abzusichern.

Portrait
Uwe Scheunemann CFP® ist unabhängiger Finanzplaner und Chartered Digital Asset Analyst (CDAA®). Er hat einen Master in Business Communication, ist Absolvent des CAS Crypto Finance & Cryptocurrencies (HSLU) und Inhaber von Progressive Finance, seiner eigenen Consultingfirma mit Sitz in Zürich sowie Referent am IfFP Institut für Finanzplanung, Zürich.