Donnerstag, 15. Juni, 2023

Reform der beruflichen Vorsorge (BVG 21)

 

von Gertrud E. Bollier

Am 17. März 2023 wurde die BVG-Reform 21 nach zähem Ringen in der Frühjahrssession der eidg. Räte angenommen. Die Referendumsfrist dauert bis 6. Juli 2023. Linke Kreise und solche aus dem Gewerbe sind bereits am Sammeln.

In ihrem Expertenbeitrag beleuchtet die eidg. dipl. Sozialversicherungsexpertin, Geschäftsführerin der gebo Sozialversicherungen AG und IfFP-Referentin Gertrud E. Bollier welche Änderungen die BVG-Reform bringen soll.

Die 2. Säule unseres Drei-Säulen-Konzepts der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge beruht auf dem Kapitaldeckungsverfahren, einem kontinuierlichen Sparprozess (Beiträge der Versicherten, des Arbeitgebers und Zinsen). Durch die steigende Lebenserwartung und Schwankungen in den Finanzmärkten sind die Renten der beruflichen Vorsorge seit längerer Zeit unter Druck geraten. Es ist zu einer systemfremden Umverteilung von Aktiven zu Rentenbeziehenden gekommen. Dies soll mit der BVG-Reform verhindert und zudem sollen Arbeitsnehmende mit tiefen Löhnen sowie Teilzeiterwerbstätige besser versichert werden.

 

BVG-Normversicherung (Obligatorium)

Parameter

BVG heute

BVG 21

Beginn Alterssparen

ab Alter 25

ab Alter 25

Staffelung Altersgutschriften

7/10/15/18

9/9/14/14

Rentenumwandlungssatz im Schlussalter

6,8 %

6,0 %

Eintrittsschwelle (Jahr)

CHF 22'050.–

CHF 19’845.–

Koordinationsabzug

CHF 25'725.–

20% des AHV-pflichtigen Lohnes
(max. CHF 17'640.–)

 

Auch umhüllende Vorsorgeeinrichtungen werden von der BVG-Reform betroffen:

Durch das Anpassen der Eintrittsschwelle werden (gemäss Schätzung des Bundesamts für Sozialversicherungen im Jahr 2019) rund 70'000 Arbeitnehmende, die vorher nicht versichert waren, neu zu versichern sein. Je nach Vorsorgeplan der umhüllenden Vorsorgeeinrichtung kann die Reform auch eine Anpassung des Koordinationsabzugs erfordern; denn neu werden rund 30'000 Arbeitnehmende mit einem höheren Lohn zu versichern sein.

Verstärkung des Sparprozesses

Nach wie vor sind Arbeitnehmende ab 1. Januar des 18. Altersjahres erst für die Risiken Invalidität und Tod zu versichern, sofern sie einen Jahreslohn von mehr als CHF 19'845.– haben. Das Altersparen beginnt (wie gehabt) erst mit Alter 25. Zu versichern sind künftig 80 Prozent des Jahreslohnes bis CHF 88'200.– (versicherter Verdienst = koordinierter Lohn).

Die Altersgutschriften werden gegenüber heute neu gestaffelt. Fürs Alterssparen betragen sie von 25. bis 44. Altersjahr 9,0 Prozent und vom 45. Altersjahr bis zum Referenzalter 14,0 Prozent.

Präzisierungen gibt es betreffend Selbständigerwerbende und vom Arbeitgeber ab Alter 58 gekündigte Arbeitnehmende. Selbständigerwerbende können sich in der Vorsorgeeinrichtung ihres Berufes, der Vorsorgeeinrichtung ihrer Arbeitgeber oder in einer anderen Vorsorgeeinrichtung – die dies in ihrem Reglement vorsieht – versichern.

Ab Alter 58 durch Kündigung des Arbeitgebers ausgeschiedene Mitarbeitendekönnen die Weiterversicherung in der Vorsorgeeinrichtung des bisherigen Arbeitgebers verlangen. Sie können während dieser Weiterversicherung Beiträge zur Deckung der Risiken Tod und Invalidität bezahlen, die Altersvorsorge weiter aufbauen oder nur die Austrittsleistung in der Vorsorgeeinrichtung belassen. Diese versicherte Person bezahlt Beiträge an die Verwaltungskosten. Falls sie die Altersvorsorge weiter aufbaut oder die Vorsorge gegen die Risiken Tod und Invalidität weiterführt, bezahlt sie zusätzlich die entsprechenden Beiträge.

Tritt die so versicherte Person in eine neue Vorsorgeeinrichtung ein, so hat die bisherige Vorsorgeeinrichtung die Austrittsleistung in dem Umfang an die neue zu überweisen, in dem sie für den Einkauf in die vollen reglementarischen Leistungen verwendet werden kann. Falls die versicherte Person aber verstirbt und die Risikodeckung (Invalidität und Tod) nicht weitergeführt hat, ist das Vorsorgeguthaben den Hinterlassenen auszurichten.

Senkung des Umwandlungssatzes und Rentenzuschlag

Der Mindestumwandlungssatz beträgt mit Erreichen des Referenzalters (ordentliches Renteneintrittsalter gemäss AHV) 6,0 Prozent. Die Mindestumwandlungssätze im Fall eines Rentenvorbezugs oder -aufschubs wird vom Bundesrat in der Verordnung geregelt.

Um den mit der Senkung des Umwandlungssatzes verbundenen Leistungsabbau aufzufangen, erhält die Übergangsgeneration – d.h. die ersten 15 Jahrgänge nach Inkrafttreten der Reform – einen Rentenzuschlag. Dessen Umfang ist abhängig vom Geburtsjahr und von der Höhe des Vorsorgeguthabens.

Anspruch auf einen Zuschlag zur Altersrente haben Personen der Übergangsgeneration, die (alle Punkte müssen erfüllt sein)

  • mit Beginn des Rentenbezugs in einer Vorsorgeeinrichtung versichert sind,
  • das Mindestalter für den Vorbezug der AHV-Altersrente erreicht haben,
  • während mindestens 15 Jahren als Arbeitnehmer/in versichert waren (gilt auch für freiwillig versicherte Selbständigerwerbende und freiwillig versicherte Arbeitnehmende),
  • mindestens 50 Prozent der Altersleistung als Rente beziehen.

Zudem darf ihr Vorsorgehuthaben mit Geltendmachen des Rentenanspruchs nicht höher sein als CHF 220'500.– (2,5-facher oberer Grenzbetrag). Wenn dieser Grenzwert überstiegen wird, aber unter CHF 441’000.– liegt, reduziert sich der Rentenzuschlag. Auf jeden Fall werden in den letzten 20 Jahren vor der Rentenanmeldung getätigte Vorbezüge für Wohneigentum ans massgebliche Altersguthaben angerechnet.

 

Rentenzuschlag für Übergangsgeneration

 

Vorsorgeguthaben
bis CHF 220’500

Vorsorgeguthaben
zw. CHF 220’501
und 441’000

Vorsorgeguthaben
ab CHF 441’001

Erste
5 Jahrgänge

mtl. CHF 200.–


degressiv gestaffelter
Betrag

mtl. CHF 0.–

Mittlere
5 Jahrgänge

mtl. CHF 150.–

mtl. CHF 0.–

Letzte
5 Jahrgänge

mtl. CHF 100.–

mtl. CHF 0.–

Rund ¼ der Versicherten haben ein Vorsorgeguthaben bis CHF 220'500;
½ ein solches über CHF 441’000

 

Wer die Altersrente vorbezieht, erfährt eine Kürzung des Rentenzuschlags. Die entsprechenden Regelungen finden sich (später) in der Verordnung.

Auch Versicherte, die eine Invalidenrente beziehen, haben – sofern sie die in der Aufzählung erwähnten Kriterien erfüllen – Anspruch auf einen Rentenzuschlag. Teilinvalide mit einem Invaliditätsgrad ab 40 Prozent haben Anspruch auf den halbe, solche ab einem Invaliditätsgrad von 60 Prozent auf den ganzen Zuschlag.

Finanzierung des Rentenzuschlags

Die Vorsorgeeinrichtung finanziert den Rentenzuschlag im Zeitpunkt des Beginns des Rentenanspruchs.

Der Sicherheitsfonds leistet Zuschüsse an die Vorsorgeeinrichtungen zur teilweisen Finanzierung der Einlagen. Der Zuschuss für eine Einlage berechnet sich aus der Differenz zwischen der Summe der Rente und Zuschlag und der reglementarischen Alters- oder Invalidenrente; bzw. wenn höher, der aus dem Altersguthaben mit Umwandlungssatz 6,8 Prozent entstehenden Rente.

Dafür erhebt der Sicherheitsfonds von den dem FZG unterstellten Vorsorgeeinrichtungen einen Beitrag. Im Jahr nach dem Inkrafttreten sind dies 0,24 Prozent (der 80% der massgebenden Löhne nach AHVG – dies bis CHF 176'400.–). Im Gegenzug entfallen die Zuschüsse für die ungünstige Altersstruktur.

 


  • Autorin

Gertrud E. Bollier ist eidg.dipl. Sozialversicherungsexpertin mit Nachdiplomstudium in Methodik/Didaktik SWF 1999/2000. Sie ist Geschäftsführerin der gebo Sozialversichersicherungen AG, in vps.epas Fachgebietsverantwortliche und Autorin in «Penso» und «Schweizer Personalvorsorge»; Verfasserin des «Leitfadens Schweizerische Sozialversicherungen» und des «Jahrbuch der Sozialversicherungen» sowie Referentin an Fachseminaren.