Mittwoch, 11. Oktober, 2023
Art. 14, Abs. 2 BVG bestimmt den Mindestumwandlungssatz von derzeit 6.80%, welcher für den BVG-Teil anzuwenden ist. Guthaben im überobligatorischen Bereich – das sind versicherte Löhne unterhalb der Eintrittsschwelle von aktuell CHF 22'050 und Löhne über dem BVG-Obligatorium von CHF 88'200 – kennen keinen Mindestumwandlungssatz. Für diese Guthaben wenden die Pensionskassen in der Regel finanzmathematisch korrekte Umwandlungssätze an, was in umhüllenden Lösungen zu deutlich geringeren Umwandlungssätzen als die 6.80% führt. Gemäss der Pensionskassenstatistik 2021 sind lediglich 9.2% der versicherten Personen in einem reinen BVG-Minimum-Plan versichert.
Gemäss der Schweizer Pensionskassenstudie 2022 liegt der Median des Umwandlungssatzes bei 5.40% (Männer) bzw. 5.30% (Frauen). Diese Werte stammen aus den Angaben von 419 Vorsorgeeinrichtungen und dürften ein gutes Bild über sämtliche Pensionskassen geben. Wichtig: In einer Schattenrechnung wird geprüft, ob auch mit einem tieferen Umwandlungssatz die BVG-Bestimmungen eingehalten werden. Sollte dies nicht der Fall sein, so muss der Umwandlungssatz erhöht werden bis mindestens die BVG-Mindestrente erreicht wird.
Die realistisch erzielbare Nettorendite, immer unter Berücksichtigung des Risikos bzw. der möglichen Anlagestrategie und den BVV2-Anlagerichtlinien, sowie die Bezugsdauer bestimmen schlussendlich den Umwandlungssatz. Bei den heute 6.80% und einer erwarteten (konstanten) Nettorendite von 2% p.a. ist das Pensionskassenguthaben nach rund 17 Jahren aufgebraucht. Gemessen an der aktuellen Lebenserwartung einer 65-jährigen Person hat die Pensionskasse somit deutlich zu wenig Kapital, da im Durchschnitt viel länger eine Rente bezahlt werden muss. Und dieses fehlende Kapital wird von den aktiven Versicherten finanziert, indem ein Teil der Anlagerendite nicht ihrem individuellen Vorsorgeguthaben gutgeschrieben werden kann. Dies wiederum führt zu weniger Alterskapital und entsprechend zu tieferer Altersrente.
Was gerne vergessen geht: Nebst der Altersrente ist auch noch die Hinterlassenenleistung in Form einer Witwenrente und allenfalls auch die Waisenrente mitzuberücksichtigen. Entsprechend darf in einer pragmatischen Betrachtung problemlos von 25 Jahresrenten ausgegangen werden; es fehlen also ganze acht Jahresrenten.
Wenn von einer (stabilen) Nettorendite von 2% p.a. ausgegangen wird und für das BVG-Sparguthaben ein Umwandlungssatz von 6% angewandt werden muss, so reicht das Alterskapital für 20 Jahre. Offenbar sind 6% Umwandlungssatz immer noch deutlich zu hoch.
Die nachfolgende Tabelle zeigt, in Abhängigkeit der erwarteten Bezugsdauer und Nettorendite, die mathematisch korrekten Umwandlungssätze (blauen / orangen / roten Zahlen). Natürlich kann die erzielbare Nettorendite und die Bezugsdauer sehr unterschiedlich beurteilt werden. Trotzdem scheint ein Umwandlungssatz in der Grössenordnung von 5% fair zu sein.
Die seit dem Kalenderjahr 2022 steigenden Nominalzinsen mögen das Problem des viel zu hohen BVG-Umwandlungssatzes – egal ob 6.8% oder 6% - zwar etwas entschärfen, aber nicht lösen. Kommt hinzu, dass die Lebensdauer in Zukunft höchstwahrscheinlich weiter steigen wird.
Über den Autor
Iwan Brot ist eidg. dipl. Finanzplanungs-Experte und Bankfachmann, er verfügt über ein Fachzertifikat CfBS in Mathematik, Statistik und Finance und ist Inhaber der Einzelfirma Geldexperte Iwan Brot sowie Fachleiter und Dozent am IfFP Institut für Finanzplanung.